Wie einst Real Madrid
- Daniel Kunze
- 6. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. Apr.
Es gibt tatsächlich immer noch Premieren im vermeintlich ach so mausgrauen Kreisligaalltag: mit der vierten Vertretung des SV Boluspor Bonn gastierte in der mittlerweile 62-jährigen Vereinsgeschichte des SV Rot-Weiß Queckenberg erstmals eine Abordnung der Bosporus-Kicker auf der Fußballalm an der Madbach.
Die Uygur-Streitmacht schien die 0:3 Heimschlappe aus der Vorwoche gegen SV Wormersdorf II gut verdaut zu haben. Die Mannen um Capitano Schütt wirbelten auf der furztrockenen Asche mächtig Staub auf. Über gefühlt fast 110 Minuten war der heilige Fußballtempelberg in eine glutrot schimmernde Dunstglocke gehüllt, ähnlich wie man es bisweilen von dem spektakulären Saharastaub gewohnt ist. In dieser gespenstisch-vernebelten Atmosphäre gefielen die Hausherren als bärenstarke Offensivmacht. Allerdings vergaß man einmal mehr, den gerechten Lohn für die gute Arbeit zu ernten. Es ist das gewohnte alte Leid, dass selbst beste Torchancen ungenutzt blieben. Gleich dreimal ächzten Pfosten bzw. Latte lautstark, wenn wieder ein rot-weißes Knallbonbon hörbar vom Gestänge zurückschmatzte. Dagegen erwiesen sich die Gäste als brutal effizient und stellten mit ihrer ersten Torchance nach neun Minuten den Spielverlauf auf den Kopf. Mit diesem Gegentreffer injizierten sie den Queckies eine XXL-Dosis Aufputschmittel in deren Blutkreislauf. Jetzt schlugen die elf Herzen der Queckies noch härter, noch schneller in der stolzen Brust. Man spürte, wie der Boden unter den Füßen zu beben begann; zunächst noch leise und kaum spürbar, doch mit fortlaufender Spielzeit immer mächtiger und bedrohlicher. Spätestens nach 15 Minuten galoppierten die Kerle von der Madbach auf Feuer speienden Schlachtrössern schwindelerregend über ihren Mount Queck. Diese Leistungsexplosion gipfelte in einem kapitalen Nehring-Freistoßhammer, der, aus 25 Metern Torentfernung losgelassen, dem Schlussmann beinah beide Fäuste zerschmetterte und unhaltbar zum hoch verdienten Ausgleich einschlug (19.). Die aufbrandenden Jubelschreie peitschten die finster rumorenden Fußballseelen weiter in allerhöchste ekstatische Ausnahmezustände. Kurek, Schmitz und Mister Überall Schütt vermochten es allesamt nicht, das Runde ins Eckige einzuschweißen. So blieb es zur Halbzeit bei einem 1:1, dabei hätten sich die Gäste über ein 1:4 nicht beschweren können.
Als hätte es die Halbzeitpause gar nicht gegeben, walzte der RWQ weiter mit durchgetretenem Vollgaspedal alles nieder, gierig auf den erlösenden Führungstreffer. Aufgrund der bedingungs- und gnadenlosen Offensivmacht wurde der Defensivriegel immer mehr gelöst. So bot man dem Gast Räume für gefährliche Gegenstöße. Aber der Iceman entschärfte die wenigen Möglichkeiten gewohnt unterkühlt. Vorn war es weiterhin wie verhext. Anstatt aus einer Vielzahl der sich bietenden Chancen eine Vorentscheidung zu erzwingen, schoss man die Festung der Gäste zwar sturmreif, aber nicht nieder. Umso niederschmetternder registrierte das geschundene RWQ-Herz, wie die Türken aus Bonn 20 Minuten vor Ultimo aus Nahdistanz die Pille über die Linie bugsierten. Claßen war in diesem Moment absolut machtlos. Dieser Tiefschlag schickte die Einheimischen auf eine Art Fußball-Psycho-Horror-Trip. Sich der Erdanziehungskraft trotzig widersetzend schwebten, nein, flogen die Rot-Weißen jetzt durch die Lüfte. Mit offenem Visier und der berühmten Machete zwischen den Zähnen wurde eine knallfette Schlussphase eingeleitet. Gewissen Parallelen zu der Dramatik des berühmten Rückspiels im Champions League Habfinale 2022 zwischen Real Madrid und Manchester City waren durchaus erkennbar. Nur 240 Sekunden nach dem erneuten Rückstand hallte der Torschrei nicht nur durch Raum sondern auch durch Zeit! Klemms Steinschleuder-Einwurf wippte Schütt elegant in den gegnerischen Sechzehner. Sein Adlerauge lokalisierte den einschussbereit lauernden Schmitz, und der ließ sich auch nicht lange bitten. Die letzte Viertelstunde schenkten sich beide Parteien gar nichts. Es gab neumodische Gladiatorenduelle zu bestaunen, die vielleicht nicht immer etwas fürs Auge boten, dafür aber reichlich fürs Herz. Schlussendlich trauerte der RWQ den vor allem im ersten Durchgang vergebenen Chancen nach. Doch zweimal so großartig zurückzukommen, das nötigt allerhöchsten Respekt ab. Der verdiente Lohn war der stakkatoartig aufbrandende, nicht enden wollende Applaus von der Haupttribüne, dessen Echo von den Wäldern ringsum donnernd zurück vibrierte.
Die Uygur-Streitmacht genießt jetzt eine dreiwöchige Fußball-Blaupause. Am 27.04. ist man, abermals daheim, gegen den TB 1906 Witterschlick III wieder zu allen Schandtaten bereit. Der Vorhang für die nächste Fußballoper fällt zur besten Sendezeit, um 15:00 Uhr.
Erste Legion: Claßen – Wappenschmidt, Nolden, Nehring, Becker – Erol, Klemm, Kurek, Schütt, Watty – Schmitz
Verstärkung: Meurer, Jablonski, Schaaf Eiserne Reserve: Nücken, Uygur
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